Was sind Brüdergemeinden – Zum Selbstverständnis unserer Gemeinden
Brüdergemeinden finden ihre Anfänge um die Mitte des vorigen Jahrhunderts in England und Deutschland.
Damit verbunden sind Namen wie Georg Müller, John Nelson Darby, Carl und Rudolf Brockhaus – und später Georg von Viehbahn, Dr. Emil Döngen, Johannes Warns und Erich Sauer.
Brüdergemeinden sind zu unterscheiden von der Herrnhuter Brüdergemeine um Graf von Zinzendorf aus dem 18. Jahrhundert. Der Name – auch als Brüderversammlung bekannt – wird von dem neutestamentlichen Begriff ekklesia abgeleitet.
Brüdergemeinden verstehen sich im Sinne folgender Aussprüche von Jesus:
„Wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich in ihrer Mitte“ (Matthäus 18 Vers 20) und „Einer ist euer Meister, der Christus, ihr alle aber seid Brüder“ (Matthäus 23 Vers 8). Aufgrund des letzteren Verses nennen wir uns „Brüdergemeinden“. Der Name hebt also kein Geschlecht hervor sondern drückt die geschwisterliche Gestaltung und Verantwortung des Gemeindelebens aus. Das bedeutet keine Unterscheidung zwischen „Geistlichen“ (Klerus) und Laien.
Brüdergemeinden sind heute in fast allen europäischen Ländern und den meisten Ländern in Übersee verbreitet und tragen teilweise unterschiedliche Bezeichnungen.
In Deutschland haben sich nach dem nationalsozialistischem Verbot von 1937 die „offenen Brüder“ mit den meisten „christlichen Versammlungen“ im „Bund freikirchlicher Christen“ zusammengefunden, der 1941 zusammen mit den Baptistengemeinden den „Bund evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden“ (K.d.ö.R. – Eine Körperschaft des öffentlichen Rechts) bildete.
In der Bundesrepublik ist ein Teil der Brüdergemeinden in diesem Bund geblieben und bildet darin die „Arbeitsgemeinschaft der Brüdergemeinden“, während ein anderer Teil 1949 und danach den Bund verlassen hat und zum Teil als „freier Brüderkreis“ besteht neben den abgesondert gebliebenen Teil der „Christlichen Versammlung“.
Dennoch bleibt die Aufgabe, auch bei dieser Unterschiedlichkeit die Verbindung der Brüdergemeinden untereinander zu bewahren, um unseren gemeinsamen Beitrag zum Zeugnis der Kirche (bzw. des Leibes Christi) einbringen zu können.
Die Brüderbewegung– als ein Teil der gesamten neueren Gemeindebewegung
Die ca. 1850 in Deutschland beginnende Brüderbewegung ist ein Zweig der gesamten Gemeindebewegung, die auf dem reformatorischen Durchbruch biblischen Christusglaubens im 16. Jahrhundert zurückgeht und die sich als Gemeinschaft von Wiedergeborenen im 18. und 19. Jahrhundert in „frei-kirchlichen“ Gemeindegruppen ausgeprägt hat. Geistliche Impulse und praktische Mitarbeit sind, wenn auch im angelsächsischen Raum stärker als im kontinental-europäischen, weit über ihre Grenzen hinausgegangen.
In einigen Ländern sind die Brüdergemeinden eine starke, teilweise die stärkste evangelikale, ja protestantische Gemeindegruppe überhaupt, wie z. B. In Spanien, Italien, Rumänien, Argentinien, Neuseeland, Teilen Westafrikas und Südindiens. Hier wachsen die Gemeinden und breiten sich weiter aus.
Bibelkritik, Sakramentalismus und institutionelle Verfestigung lehnen Brüdergemeinden entschieden ab. Vielmehr möchten sie die individuellen Gaben zur Entfaltung und in verbindlicher Ordnung zur Reife bringen. Dabei allerdings wird geistlicher Mangel schneller sichtbar als in organisierten Formen.
Prinzipien und Merkmale von Brüdergemeinden
Manches habe wir „Brüder“ gemeinsam mit anderen aus der Täuferbewegung des 16. Jahrhunderts und den in der Erweckungs- und Gemeinschaftsbewegung des 18. und 19. Jahrhunderts entstandenen Gemeinden, wie Mennoniten, Baptisten, Freie evang. Gemeinden. Einiges ist besonders typisch für Brüdergemeinden und zwar das „Brüderschaftliche“ (siehe letzte 3 Merkmale)
1. Die vorbehaltlose Bindung an die heilige Schrift
Wir bekennen uns zur göttlichen Eingebung der ganzen Heiligen Schrift, ihrer völligen Zuverlässigkeit und einzigen Autorität in allen ihren Aussagen. Sie ist uns verbindlich für Glauben und Leben – für das persönliche Leben – und für das Leben der Gemeinde, deren Gründung, Gestaltung und Wachstum
2. Das Verständnis von Gemeinde als Leib Christi
Wir sehen die Gemeinde Jesu Christi nach dem neuen Testament als Gemeinschaft der durch Gottes Geist Wiedergeborenen und auf ihren persönlichen Glauben hin Getauften an unseren Ort und in der ganzen Welt als den Leib Christi.
Die örtlichen Gemeinden sind selbstständig.
3. Die heilsgeschichtlich-endzeitliche Ausrichtung auf die Wiederkunft Christi
Wir glauben an die baldige Wiederkunft Jesu Chrisi für die Gemeinde zu ihrer Entrückung und Vollendung – für Israel zu seiner Errettung und für die Völkerwelt zur Aufrichtung des Tausendjährigen Reiches (Offenbahrung 20)
Die Naherwartung von Jesus treibt zur Heiligung und zur Mission und damit zur Erreichung der Vollzahl aus den Nationen – zur Fülle Christi.
4. Der evangelisch-missionarische Auftrag bis zum Ziel
Wir sehen uns dem vordringlichem Auftrag verpflichtet, die Rettung durch Jesus Christus allen Menschen auf allen möglichen Wegen zu verkündigen und in allen Völkern und Stämmen und Sprachen zur Bildung und zum Wachstum von Gemeinden beizutragen – verbunden mit zeugnishaftem Leben und diakonischer Verantwortung als orientierendem „Licht“ und wirkendem „Salz“ in der Gesellschaft.
Die Evangelisation erfolgt nicht so sehr als besondere Veranstaltung, sondern durch die gemeindliche Verkündigung und von Mann zu Mann. Die diakonische Tat geschieht durch jeweils konkrete Hilfe in vorhandenen Nöten.
Die Wahrnehmung besonders missionarischer Aufträge geschieht im Gehorsam gegenüber dem Geist Gottes und nach dem neutestamentlichen Prinzip der sendenden örtlichen Gemeinde.
In bibeltreuer Allianz von Gläubigen und nicht in einer Ökumene von gemischten Kirchen sehen wir die Möglichkeit gemeinsamer Förderung von Evangelisation, Mission und Diakonie im In- und Ausland.
5. Die bruderschaftliche sonntägliche Sammlung der Gemeinde am Tisch des Herrn zur Mahlfeier
In dieser besonderen Zusammenkunft drücken wir am Tiefsten und Umfassendsten die Gemeinschaft mit dem Haupt und allen Gliedern des Leibes Christi aus.
In der Teilnahme an Mahl und Anbetung gedenken wir des Leidens und Sterbens unseres auferstandenen und gegenwärtigen Herrn, „bis er wiederkommt“.
6. Die bruderschaftliche Gestaltung der Zusammenkünfte
Zu den Zusammenkünften kann jeder unter der Leitung des Heiligen Geistes mit seiner Gabe beitragen, wobei alles geschehen soll „anständig und in Ordnung“ zur Auferbauung der Gemeinde. (siehe 1. Kor. 11-14)
Verantwortliche Gestaltung aller Bereiche des Gemeindelebens durch möglichst viele Gemeindeglieder, Brüder und Schwestern in der biblisch angemessenen Weise, kennzeichnet Brüdergemeinden.
Die Unterscheidung zwischen „Geistlichen“ und „Laien“ ist ihnen fremd.
7. Die bruderschaftliche Leitung der Gemeinde
Gemeinsamkeit in gabengemäßer Gliederung unter Leitung und Wirken des heiligen Geistes bestimmt die Struktur der örtlichen Gemeinde. Durch den verantwortlichen Bruderkreis bzw. die Ältestenschaft und nicht durch einen einzelnen wird die „Priesterschaft aller Gläubigen“ und der Prozess der Reifung und des Wachstums der Gemeinde gefördert.
Es gilt nicht das demokratische Mehrheitsprinzip, sondern geistliche Führung. Dabei üben Brüdergemeinden einen weitgehenden Verzicht auf festgeschriebene Satzungen, Glaubensbekenntnisse und Ordnungen; sie suchen sich immer neu allein an der Bibel zu orientieren.
Mögliche vollzeitliche, haupberufliche Mitarbeiter sind hier mit ihren Gaben integriert. Bei notwendigen Entscheidungen wird bruderschaftliche Einmütigkeit angestrebt in dem Bewußtsein, dass Jesus Christus der Herr der Gemeinde ist und seinen Willen allen erkennbar machen möchte.
Bruderrat der Brüdergemeinden (im B. E. F. G.)
Quellenangabe (Auszüge aus)
Was sind „Brüdergemeinden“
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